Tinnitus

Tinnitus

Was ist Tinnitus?

Unter Tinnitus versteht man eine vorübergehende oder dauerhafte ein- oder doppelseitige Hörempfindung von Geräuschen oder Tönen oder Geräuschen (z.B. Brummen, Rauschen, Pfeifen, Sausen, Zischen) verschiedener Frequenzen und Intensitäten ohne Einwirkung einer äußeren Schallquelle.

Generell unterscheidet man einen objektiven von einem subjektiven Tinnitus. Der objektive Tinnitus ist meist auf eine innerhalb des Körpers liegende Schallquelle (z. B. aufgrund von Strömungsgeräusche in Blutgefäßen oder muskelbedingten Geräuschen) zurückzuführen und ist nicht physikalisch messbar. Diese Form der Ohrgeräusche ist sehr selten und sollte bei ihnen im Rahmen der bisherigen Abklärung durch den HNO-Arzt bereits ausgeschlossen worden sein.

Die meisten Patienten haben einen subjektiven Tinnitus, der ausschließlich vom Betroffenen selbst wahrgenommen wird. Dieses Ohr- oder Kopfgeräusch hat keinen Informations- oder Signalcharakter und ist als ungefährlich einzustufen.

Dabei ist wichtig zu wissen, dass bei jedem Menschen hin und wieder für einige Sekunden bis Minuten ein Ohrgeräusch auftreten kann, welches kurz darauf wieder von alleine abklingt. Dies ist ein „normales“ Ereignis und bedarf keiner weiteren Behandlung. Des Weiteren wird es Sie vielleicht wundern, dass im Zustand absoluter Ruhe (z.B. in einem in schalldichten Raum), fast alle Menschen ein Ohrgeräusch wahrnehmen. Nur werden bei den meisten Menschen diese Töne von Umgebungsgeräuschen überdeckt oder auf dem Weg zum Gehirn automatisch „herausgefiltert“, so dass sie einem gar nicht mehr bewusstwerden.

Zeitlich unterscheidet man einen akuten (Dauer < 3 Monaten), von einem subakuten (> 3 bis zu 6 Monaten) und von einem chronischen (> 6 Monate) Tinnitus.

Beim chronischen Tinnitus (> 6 Monate) liegt der Ursprung des wahrgenommenen Geräusches dagegen in einer Fehlverarbeitung von akustischen Signalen im Gehirn, wobei der genaue Mechanismus dafür bislang noch ungeklärt ist. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass eine Schädigung der Hörzellen im Innenohr zu einer Veränderung der Erregbarkeit und der Aktivität in der Hörrinde im Gehirn führt. Diese Aktivität kann sich in einem Ausmaß steigern, dass sie im Gehirn als Hörempfindung wahrgenommen wird. Der chronische Tinnitus wird somit durch Veränderungen im Bereich der Hörbahn bzw. in kortikalen Zentren aufrechterhalten und existiert unabhängig von der vermeintlichen ursprünglichen Schädigung im Innenohr.

Insofern ist es auch „normal“, dass die Betroffenen ihren Tinnitus nicht nur im bzw. hinter dem Ohr-, sondern auch irgendwo im Kopfbereich (z.B. in der Schädelmitte oder auch am Hinterkopf) wahrnehmen. Auch dass sich der Tinnitus spontan ab und an klanglich verändert, kann im chronischem Stadium häufiger vorkommen und ist ungefährlich.

Unabhängig davon, wie der Tinnitus klingt und wo er wahrgenommen wird: man kann mit der Zeit lernen sich an den Tinnitus zu gewöhnen und lernen diesen zu „überhören“ bzw. an ihn „vorbei zu hören“.

Manchmal äußern Betroffene die Vermutung, dass sie schlechter hören, weil der Tinnitus so laut ist. Allerdings ist der Tinnitus nicht als Ursache, sondern als Folge einer verminderten Hörfähigkeit zu sehen und ist meist in der Frequenz des größten Hörverlustes lokalisiert. Insofern lässt sich auch erklären, dass Tinnitus häufig auch bei Menschen höheren Alters auftritt, in Folge einer „natürlichen“ altersbedingten Schwerhörigkeit.

Eine bestehende Hörminderung kann durch den HNO-Facharzt eindeutig bestimmt werden und lässt sich in der Regel durch das Tragen eines Hörgerätes gut ausgleichen. Dieser Ausgleich des Hörverlustes führt manchmal zu einer Teilverdeckung des Tinnitus: da der Betroffene jetzt wieder in der Lage ist, verstärkt Außengeräusche wahrzunehmen, kann dadurch das „innere Geräusch“ leichter überhört werden. Dies kann es einem erleichtern, am Tinnitus „vorbeizuhören“.

Auswirkungen des chronischen Tinnitus auf die psychische Befindlichkeit und Lebensführung

Für die meisten (ca. 90%) der Betroffenen hat der chronische Tinnitus keine gravierenden Auswirkungen auf die psychische Befindlichkeit, Lebensqualität und Lebensführung, was als psychisch kompensierter Tinnitus bezeichnet wird. Auch wenn der Tinnitus anfangs (im akuten Stadium) unerträglich zu sein schien, kommen die meisten Betroffenen bald gut damit zurecht, weil sie gelernt haben, ihn zu überhören bzw. an diesen „vorbei zu hören“. Etwas, an das man sich gewöhnt oder das man akzeptiert hat, erscheint einem bald als leiser und erträglicher.

Allerdings fühlen sich ca. 10% der Patienten durch den subakuten oder chronischen Tinnitus zeitweise belästigt bzw. in ihrem Alltagsleben beeinträchtigt und 0,5 – 2,4 % aller Personen fühlen sich massiv und andauernd durch ihren subakuten bzw. chronischem Tinnitus gestört. Das bedeutet, dass es in Deutschland ca. 1,5 Millionen Menschen gibt, die psychisch mittelschwer bis stark unter ihrem Tinnitus leiden.

Die Gewöhnung an und die zeitweise „Ausblendung“ des Tinnitus ist für diese Menschen – ohne therapeutische Hilfe und Anleitung – nur schwer möglich. Im Bewusstsein dieser Betroffenen stellt der Tinnitus einen permanenten „Störfaktor“ dar, der mit Gefühlen der Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung, Wut und Ohnmacht einhergeht. Diese Patienten fühlen sich ihrem Tinnitus hilflos ausgeliefert, was zu gravierenden Symptomen wie innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörung, Depressivität und zu massiven Schwierigkeiten in der gewohnten Lebensführung führen kann.

Bei diesen Patienten mit psychischer Belastung durch den Tinnitus und ausgeprägtem Leidensdruck spricht man von einem subjektiven dekompensierten Tinnitus.

Der psychisch kompensierte und dekompensierte Tinnitus kann noch genauer in folgende psychische Belastungsgrade unterteilt werden:

Gradeinteilung der Tinnitusbelastung nach klinischer Symptomatik (nach Biesinger et al. 1998)

Schweregrad 1 (kompensiert)
Kein Leidensdruck

Schweregrad 2 (kompensiert)
Tinnitus ist hörbar bei geringen Umgebungsgeräuschen und wirkt störend bei Stress und emotionaler Belastung. Tinnitus ist maskierbar durch Umgebungsgeräusche

Schweregrad 3 (dekompensiert)
In der Wahrnehmung des Betroffenen übertönt der Tinnitus alle Geräusche. Der Betroffene fühlt sich durch den Tinnitus sowohl im beruflichen wie auch privaten Bereich erheblich beeinträchtigt. Es treten ausgeprägte Störungen im kognitiven, emotionalen und körperlichen Bereich auf

Schweregrad 4 (dekompensiert)

Wollen sie ihre eigene Belastung unter einem Tinnitus messen? Dann können sie dies auf der Homepage der Deutschen Tinnitusliga (https://www.tinnitus-liga.de/pages/sonstiges/aktionsleiste/tinnitus---test.php) tun. Der Test wird Ihnen mit einiger Sicherheit Auskunft darüber geben wie stark sie selbst belastet sind.

An dieser Stelle muss in aller Deutlichkeit herausgestellt werden, dass Patienten mit einem dekompensierten Tinnitus durch geeignete Therapie prinzipiell lernen können, ihr Ohrgeräusch besser zu tolerieren und dieses zeitweise bzw. längerfristig aus der Wahrnehmung auszublenden.

Deshalb wird in unserer Praxis bei entsprechender Indikation auch eine kombiniert medizinisch-psychologische tinnitusspezifische Therapie durchgeführt, mit dem Ziel, einen dekompensierten Tinnitus in einen kompensierten Tinnitus zu überführen. Es handelt sich dabei um eine ambulante Behandlung: der Patient kann so weiterhin in seiner gewohnten Lebensumgebung bleiben und zu den jeweiligen Behandlungsterminen in unsere Praxis kommen.


Behandlung des akuten Tinnitus

Beim akuten Tinnitus wie auch beim Hörsturz führen wir die aktuell in der S1- AWMF- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals- Nasen-Ohrenheimkunde empfohlene Behandlung durch. Diese besteht in 3 an aufeinander folgenden Tagen verabreichten Gaben eines hochdosierten Cortisonpräparates, das als Infusion verabreicht wird. Ist diese Behandlung nicht erfolgreich, so kann eine Behandlung mit einer Gabe des Cortisons direkt ins Mittelohr (Intratympanale Cortisontherapie, ITC) fortgesetzt werden. Hierbei wird nach lokaler Betäubung des Trommelfelles mittels einer geeigneten Spritze eine gewisse Menge einer Cortisonlösung ins Mittelohr eingebracht. Hierdurch kommt es idealerweise zu einer höheren Konzentration des Cortisons im Innenohr, da es vom Mittelohr aus leicht ins Innenohr gelangen kann. Diese Behandlungsmethode ist bei Menschen mit Diabetes mellitus als primäre Therapieoption zu erwägen, da sie mit nur geringen den ganzen Körper betreffenden Nebenwirkungen verknüpft ist, was besonders für Patienten mit Diabetes mellitus von Bedeutung ist.    

Die Tinnitus-Retrainingtherapie

Die Behandlung des chronischen Tinnitus

Die Tinnitus-Retrainingtherapie (TRT) ist ein Verfahren zur Therapie des subakuten und chronischen Tinnitus, mit dem Ziel, die Gewöhnung des Patienten an sein „Kopfgeräusch“ zu fördern und damit die tinnitusbezogene Belastung zu senken. Die TRT stammt ursprünglich von dem amerikanischen Neurophysiologen Pawel Jastreboff und dem englischen Otologen Jonathan Hazell ab. Nach dem aktuell gültigen Konzept der Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Audiologen und Neurootologen (ADANO) verfolgt die TRT folgende übergeordnete Therapie-Ziele:
  • Counseling: dem Patienten eine fundierte Erklärung des Krankheitsgeschehen zu geben und ihn über geeignete Therapien aufzuklären, um damit den Abbau ungünstiger Befürchtungen zu fördern
  • Coping: dem Patienten zu helfen die Belastung durch Tinnitus zu bewältigen durch Aktivierung eigener Ressourcen und Kompetenzen und mittels der hilfreichen Veränderung von nicht gesundheitsdienlichen Bewältigungsstrategien
  • Habituation: Den Patienten zu unterstützen, sich gefühls- und verstandesmäßig an den Tinnitus zu gewöhnen um die Reaktion auf das Symptom wieder auf ein normales Niveau zu bringen
  • Retraining: um den Tinnitus periodisch oder dauerhaft zu überhören  

 Die Medizinisch- Psychologische Tinnitus-Therapie
nach Delb und D’Amelio
(Die Therapie wird derzeit aus organisatorischen Gründen nicht angeboten.)

Bei Patienten die psychisch bereits stark und durchgängig unter ihrem Tinnitus leiden (® psychisch dekompensierter Tinnitus), ist eine umfassendere psychologische Betreuung notwendig. Dies geschieht in unserer Praxis im Rahmen der medizinisch- Psychologischen Tinnitus-Therapie.

Die PTT besteht aus insgesamt 10 Sitzungen a 100 Minuten, die 1x pro Woche abgehalten und üblicherweise in der Gruppe durchgeführt werden. Kursleiter ist Dipl.-Psychologe Roberto d’Amelio, der diese Methode zusammen mit Prof. Dr. Delb beschreiben hat.
  • Indikation: Patienten mit einem chronischen Tinnitus
  • Dauer und zeitlicher Umfang der Therapie: 10 Sitzungen à 100 Minuten
  • Form: Einzel- oder Gruppensetting (bei einer Gruppengröße von 8 bis 10 Teilnehmern)
Formale Kriterien der Psychologischen Tinnitus-Therapie (PTT)

Die folgende Tabelle gibt ein schematischer Überblick über die 12 Sitzungen der PTT (s.a. D’Amelio (2002) in: Delb W, D‘Amelio R, Archonti C, Schonecke O: Tinnitus. Ein Manual zur Tinnitus-Retraining-Therapie. Göttingen: Hogrefe). Das Buch ist in gebundener Form erhältlich.
1
Subjektive Krankheitstheorie und individuelles Health Belief Modell
Im Anschluss an ein erstes Kennenlernen beschäftigen sich die Teilnehmer mit ihren bisherigen persönlichen Erfahrungen mit dem Tinnitus, diskutieren eigene Bewältigungsmaßnahmen und formulieren erste Therapieziele.
2
Krankheitsinformation und Individuelle Therapieziele
Eine ausführliche medizinische Information und psychologische Erklärungsmodelle zum Tinnitus stehen im Vordergrund der Stunde. Diskussion der situativen Einbettung des Tinnitus in den Alltag. Die Therapieziele werden überarbeitet und konkretisiert. Einführung in die Atementspannung.
3
Analyse der situativen Faktoren von Zunahme und Reduktion der Belästigung durch Tinnitus
Es wird der Zusammenhang zwischen Anspannung und Lautheit bzw. Belästigung durch den Tinnitus besprochen. Individuelle Entspannungsmerkmale werden erarbeitet. Einführung der Begriffe „entmutigende“ bzw. „ermutigende“ Kognitionen.
4
Die Rolle der Gedanken bei der empfundenen Belästigung durch Tinnitus
Imaginationsübungen erleichtern den Einstieg in das Thema „Gedanken“. Der Zusammenhang zwischen Gedanken und den damit assoziierten Gefühlen wird dargestellt und von den Teilnehmern auf den Tinnitus übertragen. Bearbeitung des Begriffes der “negativen Gedankenlawine“.
5
Unterstützende Gedanken und ermutigende Selbstverbalisationen
Zur Umstrukturierung entmutigender Gedanken bezüglich des Tinnitus werden “neue“ hilfreiche Kognitionen gesucht und von den Teilnehmern umgesetzt. Die Bewertung von Situationen und deren Effekt wird anhand psychologischer Modelle (A-B-C) erläutert.
6
Die Rolle der Aufmerksamkeit und Methoden der Aufmerksamkeitslenkung
Der Stellenwert der Aufmerksamkeit wird erörtert und die Teilnehmer erfahren den positiven Effekt, den die Aufmerksamkeitsumlenkung auf das Ausmaß ihrer Tinnitusbelästigung hat.
7
Grundlagen von Stress und Stressbewältigung
Darstellung der Psychobiologie von Stress und Stressreaktion. Identifikation von internen und externen Stressoren. Elaboration des Zusammenhangs zwischen individuellen Stressoren und Stressreaktion.
8
Kognitive und imaginative Methoden des Problemmanagements
Abschluss des Themenblocks Stress und Stressreaktion. Körperliche Betätigung als weitere Maßnahme zur Reduktion von Belastung. Einführung der Technik des “Mentalen Zielmanagements“ als imaginative Methode zur Problembewältigung.
9
Genusstraining
In dieser Stunde geht es darum alle Sinne wieder positiv auf Genuss einzustellen. Hierzu werden verschieden positive Sinneserfahrung in der Gruppe erlebt. Es werden Empfehlungen zum Genießen im Alltag besprochen.
10
Analyse operanter Faktoren im Zusammenhang mit der Belästigung durch Tinnitus.
Den Tinnitus in einen neuen Kontext setzen bzw. ihm eine “hilfreiche“ Bedeutung zuweisen (reframing). Rückblick und Würdigung

Für weitere Fragen und wenn Sie mit uns
in Kontakt treten wollen:

HNO-Praxis am Pfaffplatz
Dr. med. Christiane Andes-Delb
Prof. Dr. med. Wolfgang Delb
Gernot Hensen
Pfaffplatz 10
67655 Kaiserslautern
Telefon: 0631-310 7880
Telefax: 0631-78813

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